Französische Philologie
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Französisch und Romanistik



Französische Philologie / Romanistik:

eine Information des Romanistischen Dachverbands (RDV)

 

Die Benennung des Fachs verlangt einen unausweichlichen Kommentar. Das Französische war traditionell - seit dem 19. Jahrhundert - das wichtigste Fach der Romanischen Philologie. Da es bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts in Deutschland noch nicht möglich war, für das Lehramt an höheren Schulen ein anderes Fach als das Französische zu wählen, wurden im Studium Romanisten und Studierende des Französischen gleichgesetzt. In der Schweiz und in Österreich war darüber hinaus mindestens das Italienische Schulsprache. Man muß daher eine Benennung des Fachs für administrative Zwecke von den wissenschaftsorganisatorischen Zwecken unterscheiden. An den Universitäten werden die Studierenden des Französischen in der Regel auch statistisch als Romanisten geführt und dann oft - in unterschiedlichem Ausmaß - nicht von den Studierenden der anderen romanischen Einzelphilologien getrennt. Dies liegt daran, daß sich die Fachvertreter der französischen Philologie meist als Romanisten betrachten und die Probleme der Fachdarstellung nach außen, auch universitätsintern, in der Regel unterschätzen.

Die Studienfächer werden in den Prüfungsordnungen und - soweit sie existieren - in den Studienordnungen als «Französisch» (Staatsexamen) oder französische Philologie und auch mit anderen Ausdrücken bezeichnet. Es gibt hier in der deutschsprachigen Romanistik keine Einheitlichkeit. Dies liegt eben daran, daß das Fach als Gesamtromanistik im 19. Jahrhundert konzipiert wurde und sich mit der Einführung der Romanischen Seminare, ebenfalls im 19. Jahrhundert, dominant an der Französischlehrerausbildung ausrichtete.

Wissenschaftsorganisatorisch heißen die Fachvertreter der französischen Philologie seit der Gründung des «Frankoromanistenverbands im Deutschen Romanistenverband» (1995) dementsprechend «Frankoromanisten», seit einer im Jahr 2000 erfolgten Satzungsänderung «Franko-Romanisten» mit Bindestrich. Dieser Name beinhaltet eine Vermeidungsstrategie. Mit Frankoromanist und Frankoromanistik wird «Französist» und «Französistik» sowie «Franzist» und «Franzistik» (dieser Ausdruck ist möglicherweise älter als die vorgenannten; vgl. z. B. «Literaturwissenschaftliches Wörterbuch für Romanisten», Tübingen: Francke, 31989 -- oder eine andere Auflage -- unter dem Stichwort «Romanistik, Romanische Philologie») vermieden. Für die fehlende Akzeptanz aller dieser Benennungen werden verschiedene Gründe geltend gemacht. Der gewichtigste ist aber, daß die Namen der Fächer Traditionen folgen und diese Traditionen uneinheitlich sind. Die Durchsetzung eines Fachnamens ist eine fachpolitische Frage. Sie müßte in den Organisationen der Romanischen Philologie / Romanistik und universitätsintern durchgesetzt werden.

Eine weitere Fachbenennung ist Galloromanistik. Diese ist eher sprachwissenschaftlich als literaturwissenschaftlich relevant. Sie setzt voraus, daß die romanischen Sprachräume geographisch in Galloromania, Iberoromania, Italoromania, Rätoromania und Dakoromania gegliedert werden. Diese Gliederung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Der Galloromanistik werden die Sprachen, Literaturen und Kulturen der Galloromania zugeordnet, die über das Festland des heutigen Frankreichs (d. h. ohne Korsika) bis Oberitalien reicht. Darin sind das Französische mit seinen Dialekten, das Okzitanische, wobei manchmal das Katalanische als eine Form des Okzitanischen betrachtet wird, so traditionell in der deutschsprachigen Romanistik, und manchmal nicht, das «Frankoprovenzalische», das der italienische Sprachwissenschaftler Graziadio Isaia Ascoli in die Diskussion eingeführt hat sowie die oberitalienischen Dialekte eingeschlossen.

Die Wichtigkeit des Französischen für den deutschen Sprachraum resultiert aus der Geschichte und der heutigen Bedeutung. Deshalb ist die gegenüber dem Spanischen und Portugiesischen geringere Zahl der weltweiten muttersprachlichen Sprecher von etwa 63 Millionen (vgl. Johannes Kramer: «Die Zahl der Sprecher der Sprachen Roms in Geschichte und Gegenwart», in: «Romanistik in Geschichte und Gegenwart» 6/1, 2000, S. 3-31, hier S. 5) mit den Sprechern des Französischen in den ehemaligen Kolonialgebieten, die es als Zweitsprache beherrschen, und den Sprechern des Französischen als Kultursprache zu vergleichen.

An deutschsprachigen Universitäten wird das Fach zumeist noch im Rahmen der vergleichenden romanischen Sprach- und, weniger, der vergleichenden romanischen Literaturwissenschaft betrieben. Der erst 1995 gegründete «Franko-Romanisten-Verband» hängt als einziger Verband vom Deutschen Romanistenverband ab. Darin drücken sich wissenschaftsorganisatorisch die Probleme der Abgrenzung von Romanistik und französischer Philologie - oder wie immer man das Fach nennen mag - bis heute aus.

Aufgrund der traditionell engen Bindungen zu Frankreich, der großen Bedeutung der französischen Sprache und Kultur über mehrere Jahrhunderte hinweg und der noch relativ starken Verwurzelung des Französischen als erster (recht selten), als zweiter (meist in Konkurrenz mit dem Englischen, dem Lateinischen oder dem Spanischen) und dritter Schulfremdsprache an höheren Schulen des deutschsprachigen Raums zählt das Fach zusammen mit der Hispanistik, Italianistik und Lusitanistik zu den Kerndisziplinen der Romanischen Philologie. Die - leider - größte Konkurrenz besteht zur Spanischen Philologie.

Es wäre interessant, zu einem Konsens in der Frage der Benennung des Fachs zu kommen. Das ist interessant für Studierende und Forschende, für die Universitätsverwaltungen (damit die Statistiken aussagekräftiger werden), für die Wissenschaftsorganisation und nicht zuletzt für die Arbeitgeber außerhalb der Schule.

 

Prof. Dr. Jens Lüdtke

(Universität Heidelberg)

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